Gemeinschaftsschule Lippetal kommt

Weiterentwicklung der Schullandschaft in der Gemeinde Lippetal

Stellungnahme der SPD-Fraktion

Die Schullandschaft in Nordrhein-Westfalen ist in Bewegung geraten. Und dies hat neben der demographischen Entwicklung weitere Ursachen.

Eltern streben für ihre Kinder einen immer höheren Schulabschluss an, um die beruflichen Startchance ihrer Kinder zu verbessern. Und immer mehr Eltern ist dabei zudem die ideologisch befrachtete Diskussion, ob ihr Kind in einem dreigliedrigen System oder integrativ beschult wird, inzwischen egal.

Dies führt dazu, dass Gesamtschulen und Gymnasien trotz insgesamt rückläufiger Schülerzahlen ihre Zahlen halten können, indem sie sich bei der Schülerschaft der Realschulen bedienen.

Die Realschulen wiederum gleichen die Verluste durch Schülerinnen und Schüler der Hauptschulen aus, die deshalb landesweit Probleme bekommen und vor einer Schließung stehen. Und inzwischen haben landesweit auch Realschulen Probleme, die Mindestschülerzahl von 56 Anmeldungen zu erreichen.

Auch ausgezeichnete pädagogische Arbeit, Qualität der Gebäude oder die gute Ausstattung mit Lehr- und Lernmitteln treten bei der Wahl der weiterführenden Schule zurück. Gewünscht ist ein möglichst hoher schulischer Abschluss – oder zumindest die Chance, einen möglichst hohen Abschluss zu erreichen.

Also immer weniger Kinder und immer mehr Bedarf nach gymnasialen Standards. Und diese Tendenz ist auch in Lippetal zu erkennen. Wir haben regelmäßig im Schulausschuss darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung auch vor uns nicht Halt machen wird.

Viele Kommunen ohne Gymnasium befinden sich so in einer Lage, dass ihnen die Schließung einer oder auch mehrerer weiterführender Schulen droht, da die Schülerzahlen für eine weiterführende Schule nicht ausreichen.

Dieser Notlage hat sich nun die neue rot-grüne Landesregierung angenommen. Der Modellversuch der Gemeinschaftsschule kommt dabei allen an Schule Interessierten entgegen.

Modellversuche wurden übrigens auch in der letzten Legislaturperiode von Schwarz-Gelb auf den Weg gebracht. Ein Modellversuch ist ein seriöses politisches Instrument und kein „Experiment“, womit versucht wird, die Gemeinschaftsschule zu diffamieren.
Und es ist richtig, dass wir hier vor Ort die gebotene Chance nutzen und uns an diesem Modellversuch beteiligen.

Denn auch wir werden auf Dauer nicht von der demographischen Entwicklung und den Elternwünschen nach gymnasialen Standards verschont bleiben.

Die Landesregierung will dabei nichts erzwingen – im Gegenteil!

Aus den Betroffenen werden Beteiligte am Entstehungs- und Gestaltungsprozess der Gemeinschaftsschule gemacht: eine Grundvoraussetzung für nachhaltige und erfolgreiche Veränderung.

Unsere Eltern und die Schulkollegien haben sich inzwischen für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule ausgesprochen. Heute sind wir am Zug.

Wir wissen, dass einige hier im Saal aus politischen Gründen einen großen Spagat machen müssen, um die Gemeinschaftsschule zu befürworten.

Wir wissen auch, dass bei einigen hier im Saal die pädagogischen Vorteile der Gemeinschaftsschule bei der Entscheidung nicht die wesentliche Rolle spielen, sondern eher die Angst vor dem Verlust eines schulischen Angebots hier vor Ort.

Ähnlich war es auch bei der Genehmigung der U3-Betreuungsgruppen.

Aber welche Alternative bliebe uns sonst? Ein „Weiter so“ würde den Bestand unserer Schulen gefährden.

Eine Verbundschule zwischen Haupt- und Realschule wäre in meinen Augen nur eine kurzfristige Sterbehilfe und hätte außer einer etwas längeren Lebensdauer keine, vor allem keine pädagogischen Vorteile.

Die Gemeinschaftsschule bietet dagegen neben dem Erhalt des Schulstandortes eine Reihe von pädagogischen Zugewinnen wie längeres gemeinsames Lernen, bedarfsgerechte schulische Angebote, längeres Offenhalten des Bildungsweges, umfassende wohnortnahe Bildungsstandards, eine gymnasiale Oberstufe oder auch verbesserte individuelle Förderung auch mit Aufhebung des unseligen Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg.

Allein hierbei wird deutlich, dass die Gemeinschaftsschule keine „Einheitsschule“ ist, wie einige Ideologen uns weismachen wollen.

Ganz im Gegenteil: Die Gemeinschaftsschule bietet den Kindern, ihren Eltern und dem Lehrerkollegium die ganze Vielfalt der pädagogischen Möglichkeiten.

Und diese Möglichkeiten müssen nun in ein überzeugendes pädagogisches Konzept einfließen.

Dabei versteht sich von selbst, dass die bisherige vorzügliche Bildungsarbeit von Haupt- und Realschule in das Konzept einfließt. Wir wissen, dass hierbei die Lehrerinnen und Lehrer zusätzlichen Arbeitsaufwand zu leisten haben, und gerade auch diejenigen, die gerade unsere Realschule aufgebaut haben.

Die Kollegien können sich auf unsere Unterstützung verlassen, auch bei der Einbindung
sozialpädagogischer Unterstützung.

Der Bürgermeister der Stadt Soest empfiehlt nun seinem Stadtrat, der Gemeinde Lippetal bei der Gründung einer Gemeinschaftsschule Steine in den Weg zu legen. Grund sei, dass die Stadt Soest erheblich in die Bildungsstruktur investiert habe und diese weiter – auch mit Lippetaler Schülerinnen und Schülern – zu nutzen.

Auch wir in Lippetal haben erheblich in die Bildungsinfrastruktur investiert. Mit welchem Recht will er uns die Nutzung unserer Investitionen und den Ausbau unseres Bildungsraumes verwehren?

Und der Soester Bürgermeister selber war es doch damals, der uns mit der von ihm angestoßenen Diskussion um die Übernahme der Schülerfahrtkosten die Einrichtung einer Realschule nahelegte.

Anscheinend verkennt der Soester Bürgermeister auch die Tatsache, dass Bildungsangebote inzwischen zu einem harten Standortfaktor geworden sind und auch als Identifikationsobjekt der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde dienen.

Alle um Soest liegenden Gemeinden denken daher über eine Ausweitung ihres Bildungsangebotes nach oder haben – wie Lippetal oder Möhnesee – schon gehandelt.

Oder fürchten die Soester vielleicht, sie könnten in Zukunft Schülerinnen und Schüler an die umliegenden Gemeinschaftsschulen verlieren, weil sie selber nicht in der Lage sind, zum Beispiel aus den hohen Anmeldezahlen für ihre Gesamtschule die richtigen Konsequenzen zu ziehen und die Schullandschaft weiter entwickeln? Soest hat die Chance gehabt, einen auch für die Gemeinden attraktiven Bildungsraum zu schaffen. Diese Chance hat Soest bereits aus der Hand gegeben.

Der heutige Beschlussvorschlag findet unsere völlige Zustimmung. Wir freuen uns, dass Sie sich von früheren Überzeugungen gelöst haben und hier bei uns in Lippetal zeitgemäße Schulstrukturen schaffen wollen.

Die Lippetaler Eltern werden sich auch durch ideologische Störmanöver nicht irritieren lassen, sondern weiterhin die Vorteile erkennen und sachbezogen entscheiden; hier sind wir ganz sicher.

Die Zeichen stehen auf Grün. Wir danken allen Beteiligten für die bisher geleistete Arbeit. Wir wünschen dem Kollegium der neuen Gemeinschaftsschule viel Spaß bei der kommenden Arbeit und viel Erfolg.